';

NON PASSUM NON

Gedanken zu den Sternzeichen von HEINRICH HEIL

Ich kann nicht umhin – mich der Thematik auf diese Weise zu nähern und das Ganze derart aufzufassen:

Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.

Mit der Gegenüberstellung zweier erhabener Größen leitet Immanuel Kant den Beschluss seiner „Kritik der praktischen Vernunft“ ein und rettet aus der Not und Unsicherheit – die jeden befällt – steht er vor fassungsloser Größe. Und später in der „Kritik der Urteilskraft“, dem Schlussstein seines Denkgebäudes, lehrt der große Philosoph seine Mitstreiter gar, das Erhabene zu genießen.

Denn die Erfahrung des Übergroßen macht uns nicht klein, wir stehen ihr aus innerer Größe entgegen. Sich als Urheber und Verfechter einer Instanz zu wissen, die als moralisches Gesetz allgemeine Gültigkeit beanspruchen kann, erhebt das Individuum und stattet es mit Größe aus.

So geleitet, sind wir gefeit gegen peinliche Anwandlungen, die uns angesichts von Naturgewalten überfallen, und ersparen uns das lästige Lamentieren über unsere Kleinheit. Und doch reicht die Selbsterhebung bei weitem nicht hin, den Lockungen der Schicksalsgläubigkeit zu widerstehen, oder, wenn es passt, gar damit zu kokettieren. Gespielt beiläufig merke ich gelegentlich an, im Sternzeichen des Stiers geboren zu sein, um ein unangebracht jähes Aufbrausen im Gespräch nachträglich entschuldigend zu glätten.

Was arbeitet da in uns? Welche irrationalen Kräfte spielen ihr Spiel? Längst verflossen die Zeit, da der stolze Zeus unverhohlen eine Geliebte als leuchtendes Sternzeichen ans Firmament setzte und verschmitzt lächelnd seine Gespielin dem Zorn Heras entzog.

Dahin die Zeit, da Feldherren und Könige vor der Schlacht oder einer wichtigen Entscheidung Sternengucker, Auguren und andere Himmelsdeuter zu Rate riefen, um in die Zukunft zu schauen. Und doch lesen wir Horoskope.

Nun ist Markus Lüpertz, der seit vielen Jahren in seinen Werken antike Sagen neu erzählt und ihr mythisches Personal ins gegenwärtige Erscheinen zieht, geradezu prädestiniert, Figuren für das Grenzlinienspiel mit den Tierkreiszeichen zu entwerfen.

Apollon, Daphne, Uranos, Prometheus, Charon und Zentauren – bevölkern die Skulpturengalerie von Lüpertz. Und nun lässt der Bildner die Figuren der Tierkreiszeichen fragmenthaft, wie ausgegrabene Fundstücke, auftreten.

2 x Spiel- und Standbein. Kein Schatten passt dazwischen. Ich und Ich sind wir genug. Zwilling-sein, ein besonderes Schicksal.

Hin und her wägen, um ins prekäre Gleichgewicht zu finden. Wie lange hat es Bestand? Beharrlich versucht sich die Waage am flüchtigen Glück der Balance. Stets auf Ausgleich bedacht, sitzt ihr Fortuna wankelmütig im Nacken. Bleibt die Waage unbeirrt und fährt fort zu wägen und zu gewichten.

Stier, Widder und Steinbock – Varianten vom Zentauren –Tiermenschen, die Gehörnten alle. Kraftvoll der Stiermensch, ein Minotaurus, unberechenbar, geheimnisvoll. Ein Schauspieler im Widerspiel Tier/Mensch. Er sucht nach Entspannung, nimmt den Tierkopf von seinen Schultern, legt seine animalische Natur für kurze Zeit zu Boden. Steht neben sich.

Behelmter Krieger im Zeichen des Skorpions. Gift im Stachel führt sein Fußvolk. Feind, gib acht, wohin Du trittst!

Weit spannt der Schütze den Bogen. Der fliegende Pfeil ruht. Wer die Kunst des Bogenschießens beherrscht, findet zu innerer Ruhe.

Hört sie die Hufe des Einhorns? Wird es sich fangen lassen? Sicher, denn Ordnung ist das halbe Leben. Lacht die Jungfrau und fährt dem schönen Fabelwesen durch die Mähne.

Der schöpft geduldig ins Fass ohne Boden. Wassermann, woher nimmst Du den Gleichmut, zu tun, was zu tun ist?

Daniel in der Löwengrube auch ein Löwenmann. Wie im Halbrelief im Dom zu Speyer pflegt auch der von Lüpertz einen vertrauten Umgang mit dem Raubtier und krault den Kopf der mächtigen Katze. Löwenglück, wie leicht bricht das.

Kurze Botschaften, Hinweise, Signale gibt Lüpertz seinen Figuren bei. Lies aus den Orakelgesten heraus, was Dich angeht.

Springlebendige Fische. Willst Du etwas über den Fisch erfahren, musst Du zum Fisch werden.

Den Krebsgang wagen. Fünf Schreitbeinpaare, die, soll es schneller gehen, auch seitwärts rennen. Hat der Kopflose das parat? Oder weiß der nur Dunkles und Helles zu sagen? Kennt den Lauf des Lebens. Das Auf und Ab im Horizont der Zukunft.

Drehen wir das Rad der Tierkreiszeichen.
Du bist dran, geh Du voran!

Es schließt sich der Kreis.

Heinrich Heil